Das ist ein großes Wort. Wobei jeder etwas anderes darunter versteht. Darum möchte ich noch etwas anfügen:
Präsenz ist nicht nur Aufmerksamkeit. Für mich ist Präsenz auch das Wort, um die inneren Räume unermesslicher Gedanken, unermesslicher Perspektiven, unermesslicher Stille, unermesslichen Wissens zu beschreiben.
Unermesslich, das trifft ganz gut die Qualität der Präsenz, die ich meine. Und gleichzeitig habe ich die Erfahrung gemacht, dass viele Menschen diese Präsenz fürchten, ihre eigene Unermesslichkeit.
Die Tendenz unserer Psyche, feste Formen zu ergreifen, kann man mit einem Vogel vergleichen, der immer nach dem nächsten Zweig Ausschau hält, auf dem er landen kann. Und dieser enge Fokus hält uns davon ab, wertzuschätzen, wie es ist, durch den Raum zu segeln, um das zu erfahren, was ich den mystischen Zustand nennen würde – einen Urzustand der Potentialität, der neue Möglichkeiten gebiert. Zukunft inmitten der Ewigkeit.
Wenn man sich der Furcht vor dem Ungewissen und der eigenen Unermesslichkeit ergibt, kann das Leben zu einer Art Aktenordner von Versicherungspolicen werden. Die kurze Zeit auf dieser Erde wird dann eng und defensiv, zukunftslos. Man kreist um das Wenige, dessen man sich sicher ist und das man beherrschen zu können meint – einschließlich Gott. Das vermittelt einem die Illusion, dass man am Steuer sitzt, auf sicheren, überschaubaren Straßen navigiert und in eine klare, vorhersagbare Richtung fährt – dahin, wo man schon immer gewesen ist. Allzu viele Menschen glauben, keine wirkliche Lebensreise nötig zu haben, weil sie meinen, sie hätten bereits alle Antworten von Anfang an: „Die Bibel sagt“, „Die neuesten, wissenschaftlichen Erkenntnisse sagen“, „die Mode sagt“ usw.
Eine zweite Gruppe von Menschen versucht es mit einem anderen Ansatz. Sie beschließen, im Dunkeln zu pfeifen, wegzuschauen oder sich einfach abzulenken. Sie erproben diverse Wege, um sich irgendwie wichtig (ein bisschen unsterblich) zu machen. Für solche Menschen wird das Leben zu einer Abfolge von selbstinszenierten Dramen, Unterhaltungen und sinnlosen Beschäftigungen, die ihnen helfen, echte Berührung und die substanziellen Fragen zu vermeiden. Was einige in diesem Zusammenhang „Intensität“ nennen, ist häufig das Ausweichen vor dem, was ich Präsenz nenne – die intime Begegnung mit uns selbst, mit dem Leben und mit unseren Mitgeschöpfen.
Nun, wie kann man eine klare Präsenz entwickeln, die bis in unser innerstes Mysterium reicht? Ich glaube nicht, das man dafür im Himalaya meditieren oder ins Kloster gehen muß. Wenn unsere mystische Praxis darin besteht, uns „einfach“ für all unsere Emotionen, für alle Menschen, denen wir begegnen, für alle Situationen, in denen wir uns befinden, zu öffnen, ohne uns zu verschließen, in dem Vertrauen, dass wir das können – dann wird uns das so weit bringen, wie wir gehen können. Und dann werden wir alle Lehren verstehen, die jemals jemand gelehrt hat.
Tom
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