Medicine Walk

Heut ging ich mit einem unserer Gäste auf den Berg. Ich wollte nicht nur wandern, sondern meinem Gast (aus Berlin!) zeigen, was geschieht, wenn unsere innere mit der äußeren Landschaft verschmilzt. Dann atmen wir POESIE!

Für mich ist das Hinaufsteigen auf einen Berg wie das Schreiben eines Gedichts. Am Anfang des Gedichts weiß ich in der Regel nicht, auf welche Weise es enden wird, und häufig bin ich über den Ausgang selbst überrascht, weil es mir oft besser gelingt als erwartet und meine Gedanken mich weiter getragen haben als ich wollte.

Meine Beine tragen mich auch oft weiter als ich denke, dass es geht. Das ist der Moment, wo ich über mich hinauswachse. Manchmal finde ich mich in den Bergen wie in meinen Gedichten an Orten wieder, wo noch nie jemand vor mir war, tiefer im Unbekannten als mir selbst lieb ist!

Und noch etwas am Schreiben ähnelt dem Bergsteigen. Beides beschleunigt meinen Geist, das Denken und das Erfassen des Universums auf außerordentliche Weise. Beim Schreiben ist es die Stille vor den Worten, beim Wandern das Laufen über uraltes Gestein, das einen zeitlosen Raum in mir aufruft, der mich mit dem Kosmischen verbindet. Das geschieht allerdings nur wenn man sich beim Laufen bzw. Schreiben nicht an die eigenen Gedanken heftet und sich auch nicht mit der Vergänglichkeit verbündet, denn nur so umschifft man die Gefahr, wehleidig und Opfer einer staubigen Oberflächlichkeit zu werden.

Das wünschte ich meinem Begleiter, die Erfahrung des ewigen Raums, einen unvergitterten Blick, der nicht wie in der Großstadt von Betonmauern gebremst wird. Ich wünschte ihm den Atem der Steine, die Sehkraft der Sterne, die Reinheit der Wasserfälle, die Offenbarungen des Windes und seiner eigenen Seele.

Das Wissen um den ewigen Raum in uns war uns allen in der Kindheit zugänglich, wir waren nicht nur seine Teilhaber, dieses Wissen war unsere Luft. Wir konnten darin sein, weil wir immer in der Gegenwart waren.

Als wir auf einem Bergsattel ankamen und sich vor uns plötzlich der Watzmann auftürmte, sah ich das Kind in meinem Begleiter, Lichtblitze in seinen Augen, die in Spiralen mündeten. Wow! Auf dem Rückweg schwiegen wir. Es gab nichts mehr zu sagen. Jeder von uns ging bedächtig mit dem zurück, was sich ihm offenbart hatte. Wir waren nicht nur auf den Gipfel gestiegen, sondern an den Anfang der Zeit gereist. Am Anfang war das Wort, das wahre Wort, das jeder für sich finden muß, will er im Einklang mit sich und dem Universum leben.

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