Erwachsen sind wir erst dann, wenn wir lieben können, obwohl wir hier und da von uns selbst, von anderen oder vom Leben enttäuscht sind.
Kinder müssen noch lernen, mit Enttäuschungen umzugehen. Sie werden erst mal trotzig.
Letztlich sind wir alle immer wieder Kinder, die spielen, egal ob mit Bauklötzen, Geld, Macht oder Atombomben.
Darum kann es durchaus gefährlich sein, nicht erwachsen werden zu wollen.
Wobei Erwachsensein nicht heißt, alles zu wissen, zu können oder unter Kontrolle zu haben. Es hat mehr damit zu tun, dass wir gelernt haben, unser eigenes, sich frei entfaltendes Leben zu leben.
Kinder brauchen viel Schlaf um groß und stark zu werden. Ein Erwachsener ist wach. Für mich gehört Erwachen zum Erwachsenwerden. Man kann sich damit aber auch das ganze Leben oder mehrere Zeit lassen.
Ich erlebe es leider immer wieder, wie Menschen erst in allergrößter Not oder kurz vor dem Tod erwachsen. Das erwachende Herz eines Erwachsenen ist ein Herz, das oft lange nicht mehr geatmet, das seine immense Fähigkeit zur Liebe unterdrückt hat.
Es ist fatal, dass im therapeutischen Kontext depressiven Menschen empfohlen wird, einfach ihre Enttäuschung oder die Menschen, die sie enttäuscht haben, loszulassen. Wenn wir versuchen, etwas loszulassen, bevor wir danach gegriffen bzw. es durchlebt haben, können wir die dynamische Kraft der Liebe nicht verstehen, diese ungeheure Stärke, die jeder von uns besitzt.
Wir alle ähneln Bomben, die zur Explosion dieser Liebe bereit sind, die sich jeden Augenblick entladen können.
Selbst die gewalttätigsten Menschen, Männer wie Frauen, selbst die Verhärtetsten und Verschlossendsten machen da keine Ausnahme.
Suscha und ich, die ganze Idee der Tugendherberge ist dazu da, um auf den Auslöser zu drücken. Und was ist dieser Auslöser? Mitunter nicht viel mehr als nichts. Ein paar Minuten eines absoluten Daseins für den anderen können schon genügen. Wenn wir es akzeptieren, den anderen zu berühren, dann akzeptieren wir, die Bombe explodieren zu lassen. Das ist das einzige Mittel gegen die Gewalt. Das Berühren.
Wenn wir eine erwachsene und liebevolle Gesellschaft wollen, müssen wir einander mehr berühren. Wir müssen lernen, selbst die „Unberührbaren“ zu berühren. Früher waren das die Leprakranken. Heute sind es eher die Erfolgreichen, die Vorstandsvorsitzenden, die abgebrühten Rechtsanwälte, die schillernden, abgehobenen Superstars.
Lassen wir uns von ihrem Scheinwerferlicht nicht blenden. Wir haben es immer nur mit einem atmenden, sterblichen Wesen zu tun, das berührt werden möchte.
Tom
Gerechtigkeit in einer Liebesbeziehung
Gerechtigkeit hat in einer Liebesbeziehung nichts zu suchen! Gerechtigkeit ist die alte Leier: Auge um Auge, Zahn um...
0 Kommentare